Zwischen Freiheit und Fussfessel: Treffen in Kolumbien

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Resozialisierung

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Hoffnungsträger-Stifter Tobias Merckle zu Besuch bei der Familie eines (Ex-)Gefangenen in Kolumbien.

 

Tobias Merckle (Stifter von Hoffnungsträger) ist in Kolumbien zu Besuch, wo die Hoffnungsträger Stiftung mit Patenschaften Kinder und Familien von Gefangenen unterstützt und sich mit Programmen im Bereich Resozialisierung und Versöhnung für mehr Frieden im Land einsetzt. Dazu gehören die Programme „Dörfer der Versöhnung”, „Opfer-Täter-im-Gespräch” und begleitende Sozialarbeit von Strafgefangenen im Gefängnis und außerhalb des Gefängnisses.

An diesem Tag im Januar 2021 besucht Merckle das Ehepaar Yelena und Sergio mit ihrer Tochter. Sie leben im Stadtteil Manrique Central. Begleitet wird er vom Sozialarbeiter José Carlos von Prison Fellowship Kolumbien, der Partnerorganisation von Hoffnungsträger in Kolumbien.

NÄHEN IN KRISEN-ZEITEN.

Ehefrau Yelena* hat vor sechs Jahren ein Nähgeschäft aufgebaut. Doch die Aufträge bleiben aus. Das letzte Jahr war aufgrund von Corona sehr schwer, die Menschen können sich keine neue Kleidung leisten und so wurden viele Aufträge in Yelenas Schneiderei storniert.

Zum Glück erhält sie finanzielle Unterstützung von Prison Fellowship Kolumbien. Das Geld reicht zum Überleben und zum Weitermachen, wenn auch in kleinem Rahmen.

NEUANFANG AUF BEWÄHRUNG.

Ehemann und Vater Sergio* wurde im September 2020 nach vier Jahren aus dem Gefängnis Bellavista in Kolumbiens Millionenstadt Medellín entlassen, das – wie viele Gefängnisse des Landes – für seine miserablen Bedingungen, Überfüllung und eine hohe Gewaltrate bekannt ist.

Sergio findet seither keine Arbeit. Er hilft Ehefrau Yelena im Laden. Sergio ist auf Bewährung frei und befindet sich für das nächste Jahr noch im Hausarrest. Er hat eine Fußfessel und darf sich nur 300 m vom Haus entfernen.

ZUKUNFT FÜR DIE NEUE GENERATION.

Im Gefängnis hat Sergio vom Patenkind-Programm für Kinder von Gefangenen erfahren. Die Familie ist sehr dankbar für die Hilfe, die sie seitdem für ihre Tochter erhalten. Tochter Angela* ist zehn Jahre alt und hatte schwer damit zu kämpfen, dass ihr Vater ins Gefängnis musste. Sie hatte Schulprobleme und bekommt jetzt Spezialunterricht. Das Programm unterstützt in lebenswichtigen Bereichen mit Lebensmitteln und Medizin, aber auch mit Freizeitangeboten und Ausflügen für die Familien, die kaum über die Runden kommen.

„Wir konnten alle zusammen als Familie mit anderen Familien ins Schwimmbad gehen, und wir bekommen psychologische Hilfe für unsere kleine Angela.” – Diego, Vater

Für das Mädchen ist es das Schönste, dass sie durch das Patenkind-Programm Orte besuchen kann, die sie sonst nie besuchen könnte, wie zum Beispiel einen Park, das Schwimmbad oder einen Kochlehrgang mit echten „Chefs“, erklärt Mutter Yelena.

„Wenn ich erwachsen bin, möchte ich Tierärztin werden – oder Köchin”, sagt Angela.  Die Schule finde sie zwar manchmal langweilig – und jetzt mit virtuellem Unterricht sowieso, aber sie lerne trotzdem fleißig, da sie ja etwas erreichen will, lässt ihre Mutter wissen.

 

HOFFNUNG SÄEN.

Außerdem hat die kleine Angela jetzt schon Potenzial zur Kleinunternehmerin wie ihre Mutter, bemerkt Tobias Merckle, als er und Sozialarbeiter José Carlos als Geschenk drei Figuren aus Knetmasse erhalten – eine davon stellt Angela selber dar, eine Sozialarbeiter José Carlos und eine Tobias Merckle.

Die Figuren und ihre selbstgemalten Bilder verkauft sie sonst in der Nachbarschaft. Dafür hat sie ihr eigenes „Studio“. Sie zeigt stolz ihre Kunstwerke. Und eine Nähmaschine kann sie auch schon bedienen.

*Namen geändert


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