Männer am Wendepunkt: Einst Täter, heute Hoffnungsträger.

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Resozialisierung

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Als Straftäter haben sie Menschenleben auf dem Gewissen. Die Teilnahme am Programm „Opfer und Täter im Gespräch” verändert sie. Porträts von Männern aus Kolumbien, die den Knast hinter sich lassen – erzählt von Tobias Merckle.


José*
lebt wieder in Freiheit. Körperlich und seelisch. Uns berichtet er, dass er im Gefängnis am Programm „Opfer und Täter im Gespräch” teilgenommen hat, ein wichtiger Bestandteil der Arbeit mit Opfern, Tätern und Strafgefangenen in Kolumbien, die Prison Fellowship Colombia (PFC), die Partnerorganisation von Hoffnungsträger, durchführt.

Die Begegnung mit unterschiedlichen Opfern von Gewalttaten, das Leid und die Verbitterung der Hinterbliebenen, haben José die Augen geöffnet. Er erkennt seine persönliche Schuld. Nun möchte er seine Opfer um Vergebung bitten. PFC unterstützt das Vorhaben gerne und setzt alles daran, dass ein Treffen zustande kommt.

Die Bande hält immer zusammen

PFC arbeitet auch mit der kriminellen Bande zusammen, der José einst angehörte. 30 Mitglieder wurden bereits verhaftet. Einige von ihnen sind wieder frei, andere noch im Gefängnis. Im Gefängnis haben viele von ihnen am Programm „Opfer und Täter im Gespräch“ teilgenommen, so wie José. Sie wollen jetzt aus ihrer Bande aussteigen, das kriminelle Leben hinter sich lassen. Auch diejenigen, die im Viertel noch aktiv sind, sehen die Auswirkungen des Programms bei ihren Kollegen und wollen der Kriminalität den Rücken kehren.

An diesem Tag sind wir bei seiner Mutter zum Mittagessen eingeladen. Durch den Wandel ihres Sohnes ist auch sie wieder in die Gemeinschaft ihres Stadtteils integriert. Davor wurde sie von allen gemieden, sie, „die Mutter des Haupttäters“.
Einsicht beim Boss

Auch der Befehlshaber der AUC (eine Gruppe von Paramilitärs, aus der dann nach der Entwaffnung der Paramiliärs die BaCrim – kriminelle Banden – entstanden sind), Erwin Muñoz – mit dem Spitznamen „der Russe” –  hat am Programm „Opfer und Täter im Gespräch“ teilgenommen und sein Leben radikal verändert. Inzwischen ist er frei.

Seine Freiheit möchte er nutzen um am Nachfolgeprogramm „Dörfer der Versöhnung” teilzunehmen. Um in seinem Dorf aktiv Wiedergutmachung zu leisten: Versöhnungsversuche mit Opfern, Wiederaufbau von zerstörten Häusern und mehr. An diesem Tag sind wir bei seiner Mutter zum Mittagessen eingeladen. Durch den Wandel ihres Sohnes ist auch sie wieder in die Gemeinschaft ihres Stadtteils integriert. Davor wurde sie von allen gemieden, sie, „die Mutter des Haupttäters“.

Ich bin immer wieder überrascht, diese Geschichte zu hören: Furchteinflößende Drogenbosse, harte Jungs, Mörder, Bandenmitglieder – sie kehren dem Leben, das sie kennen und das ihnen Respekt, Macht und Geld verschafft den Rücken, um ein Leben in Frieden, in Versöhnung und als starkes Vorbild für andere zu führen.

Ihr Tobias Merckle

*Namen zum Schutz der Personen geändert.

*FARC und Paramilitär:

In Kolumbien herrscht seit über fünfzig Jahren mit Unterbrechungen ein bewaffneter Bürgerkrieg (auch der letzte Friedensvertrag von Juni 2016 ist inzwischen von den Beteiligten gebrochen worden). Beteiligt sind die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo, zu Deutsch: ‚Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee‘), eine linksgerichtete sozialrevolutionäre Guerillabewegung, die einen bewaffneten Kampf gegen den kolumbianischen Staat, seine Vertreter, staatliche Streitkräfte und die rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen und Drogenkartelle führt.

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