UNTERWEGS IM PATENKIND PROGRAMM RUANDA.

Veröffentlicht: ·

Patenprogramm

· 7 Min. Lesezeit
Knapp 9.500 Kilometer liegen zwischen uns und Ruanda, das auch das Land der tausend Hügel genannt wird.
Der erbarmungslose Genozid, bei dem fast 1 Million Menschen getötet wurden, ist mittlerweile 30 Jahre her. Es wurde viel getan, um Frieden und Versöhnung innerhalb der Gesellschaft zu fördern. Unsere Partnerorganisation Prison Fellowship Rwanda trägt mit ihren vielfältigen Programmen wie den Dörfern der Versöhnung, der Arbeit in Gefängnissen und der Unterstützung der Familien von Inhaftierten einen großen Teil dazu bei. Wir wollen uns selbst ein Bild davon machen und brechen Mitte Juni nach Ruanda auf, um Projektpartner zu treffen und Familien des Patenkind Programmes zu besuchen.

Als wir abends aus dem Flugzeug steigen, empfängt uns Kigali mit sommerlichen Temperaturen.

Zwei Tage später sitzen Heiko Seeger und ich im Auto von Prison Fellowship Rwanda, unserem langjährigen Projektpartner vor Ort. Celestin, Direktor der Organisation, und seine Mitarbeitenden erzählen uns viel über das Patenkind Programm. Ernährungssicherheit und Bildung sind wichtige Elemente der Patenschaften. Ohne die Caseworker (Sozialarbeiter), die Koordinatoren im Headquarter sowie die vielen Ehrenamtlichen wäre die Arbeit nicht möglich. Auch zwei Psychologen sind im Team, die bei schwierigen Fällen mit Rat und Tat zur Seite stehen und den Kindern angemessen helfen können.

Die geschulten ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer sind die Menschen, welche am engsten die Kinder begleiten. Regelmäßig werden die Mädchen und Jungen angerufen, besucht und geschaut, dass es ihnen gut geht. Auch wenn die Kinder etwas bedrückt, können sie mit ihren Betreuern telefonieren und um Hilfe bitten. Fast alle Familien haben ein eigenes Smartphone. Ansonsten wird geschaut, dass ein Zugang durch die Nachbarschaft ermöglicht wird. Die meisten inhaftierten Väter sind aufgrund von Genozid bezogenen Taten, häuslicher Gewalt und Drogendelikten verurteilt. In Fällen, in denen Besuche möglich sind, können die Kinder ihre Väter einmal im Quartal in Begleitung eines Caseworkers besuchen. Das ist ein wichtiger Bestandteil des Programms und enorm wichtig für die Stabilisierung der Beziehungen innerhalb der Familien.

 

An diesem Montag besuchen wir gemeinsam Kinder und Familien aus dem Programm. Die Route führt uns raus aus der Großstadt nach Gasabo bei Rutunga, in eine ländliche Gegend. Die befestigten Straßen verwandeln sich in steile Sträßchen mit der typisch rot gefärbten Erde. An uns ziehen Reisfelder und Bananenbäume vorbei. Die meisten Menschen bewegen sich mit Motorrädern fort oder mit dem Fahrrad. Ein paar Autos sind auch zu sehen, gehören aber zur Seltenheit. Das Fahrrad ist hier das Fortbewegungsmittel, das wahre Wunder bewirken kann: Es können auf einem Rad riesige Pflanzen, Blechkannen und Bananen transportiert werden. Der Balanceakt gleicht einer Kunst, die man einfach bewundern muss. Doch die Einfachheit der Häuser lässt vermuten, dass wir uns in ärmere Gegenden bewegen.

Wir kommen schließlich bei unserer ersten Station des Besuchstages an. Aus ihrem Häuschen begrüßt uns Valentine*, eine warmherzige und engagierte Frau. Valentines Ehemann sitzt lebenslänglich im Gefängnis. Allein kümmert sie sich um ihre zwei Kinder. Eines ihrer beiden Kinder wurde ebenfalls über das Patenkind Programm unterstützt. Valentine hatte es nicht leicht. So musste sie in ihrem Leben auch den Verlust ihres dritten Kindes verkraften. Trotz allem, ist sie selbst eine der vielen ehrenamtlichen Betreuerinnnen, die neben den Hauptangestellten Kinder im Programm liebevoll begleiten.

Für sage und schreibe 38 Kinder ist sie Ansprechpartnerin in Gasabo! Immer wieder kommen die Kinder zu ihr und sie kümmert sich um sie. Einmal im Monat besuchen Betreuerinnnen wie Valentine die Kinder in der Schule, um sicherzugehen, dass sie auch in die Klasse gehen.

Wenn die Mädchen und Jungen etwas bedrückt, können sie es Valentine erzählen und sie sucht dann nach Lösungen. Sie hilft beim Schreiben der Briefe an die Paten und leitet diese zur Übersetzung an die Caseworker weiter.

Valentine strahlt eine besondere Freude aus, trotz allen Herausforderungen in ihrem Leben. Ich habe sie gleich ins Herz geschlossen. Für mich ist sie eine von vielen Hoffnungsträgerinnen in Ruanda!

Stolz zeigt sie uns auch ihren angelegten Garten, den sie durch das Home Harvest Programm zur Existenzsicherung durch Hoffnungsträger und Prison Fellowship kultiviert hat. Dank des Programmes können Familien Saatgut und Schulungen erhalten, um so die Ernährung ihrer Familien zu verbessern. Den größten Kohlkopf erntet sie extra für uns und strahlt über das ganze Gesicht!

Schließlich zeigt sie uns noch ihren Hinterhof, der es in sich hat. Durch das Patenkind Programm hat ihr Kind eine Zusatzspende seines Paten erhalten. Sie hatten sich gemeinsam für eine Ziege entschieden. Die Ziege ist mittlerweile eine nachhaltige Einkommensquelle für die ganze Familie. Durch das Muttertier hat sie bereits einige Nachkommen bekommen, die sie wiederum weiterverkaufen kann. Eine Ziege kostet in Ruanda ca. 60 US-Dollar. Man kann sich ausrechnen, was das im Haushaltsbudget einer Familie ausmacht!

Ich bin fasziniert davon, was durch die Zusatzspenden der Patinnen und Paten alles bewirkt werden kann.
Hilfe, die ankommt und Hoffnung schenkt!

 

Zusammen mit Valentine fahren wir weiter zur nächsten Familie. Wir wollen uns einen weiteren Garten aus dem Home Harvest Programm anschauen, leider ist die Hausherrin noch unterwegs und wir machen uns nach einiger Zeit wieder auf den Rückweg.

Ich frage Chris, Programm Manager unserer Partnerorganisation, was die größte Herausforderung hier im Patenkind Programm ist. Seine Antwort ist: Wasser! Viele in dieser Gegend müssen 25 Minuten Fußweg hinter sich bringen, um das kostbare Gut zu holen. Die Kinder sind dabei oftmals Helfer. Es ist nicht verwunderlich, dass das manche schon vor dem Schulbesuch ermüdet und eine Herausforderung für sie darstellt.

Am Auto treffen wir die Frau glücklicherweise noch kurz und wir können zumindest „Moraho!“ sagen („Hallo!“ auf Deutsch).

Mit dem Auto fahren wir steile Bergpisten zum Haus der nächsten Familie hinab. Unser Fahrer ist erfahren und wir kommen sicher an.

Beim nächsten Halt treffen wir auf eine junge Mutter, Syvan*, mit ihren Kindern. Wir sitzen in ihrer kleinen Hütte auf Holzbänkchen. Das Zuhause ist sehr einfach eingerichtet. Der Boden besteht aus blanker Erde. Von ihren Kindern ist u.a. ihre Tochter im Programm, die gerade ein Internat besucht, und auch ihr Sohn Nicolas*. Nicolas ist 13 Jahre alt und sitzt auch bei uns in der Runde.

In der kurzen Zeit sehe ich, was diese Frau allein alles tragen muss und wie stark sie ist! Sie erwähnt im Gespräch, dass die Zusatzspenden der Paten vieles ermöglicht hat: die Holzbänkchen im Haus und vor allem die Anschaffung eines Schweins. Durch einen dunklen Hausgang gelangen wir nach draußen, wo sie und ihre Kinder uns schließlich stolz die prächtigen Tiere zeigen. Die Muttersau hat gerade 10 Ferkel geworfen. Ich frage sie, ob sie einen Namen tragen. Sie lachen und verneinen. Jedes Tier bedeutet aber einen weiteren wertvollen Verdienst für die Familie.

In der Zwischenzeit bin ich mit Nicolas und Chris (Prison Fellowship Rwanda) allein.

Ich frage Nicolas, was er einmal werden möchte: Ingenieur, antwortet er. Möge sein Traum eines Tages in Erfüllung gehen!

Am Ende zeigt uns Syvan, seine Mutter, noch ihren Garten. Wir staunen über das prächtig angelegte Feld! Man sieht, dass sie eine tatkräftige Frau ist, und wir freuen uns mit ihr über die gute Ernte.

Schließlich besuchen wir noch eine Familie, die etwas abseits wohnt. Wir werden in ein kleines Haus eingeladen. Celestin hat unterwegs Maniok für uns besorgt, den wir zusammen genießen. Auch hier sehe ich, dass die Kinderpatenschaft Früchte trägt. Im Haus konnten wichtige Reparaturen (Türen) mit einer Zusatzspende gemacht werden. So kann die Familie sicher wohnen. Später schauen wir uns noch die Kuh draußen an, die in Ruanda eine Menge wert ist.

Wir verabschieden uns auch von dieser Familie und machen uns wieder auf den Rückweg nach Kigali.

Die Zusatzspenden sind für viele Familien in Ruanda von großer und nachhaltiger Bedeutung, das bestätigt uns später auch nochmals Chris auf der Rückfahrt. Viele können dadurch langfristig wirtschaften und ein Einkommen für ihre Familie schaffen. Dadurch profitieren vor allem die Kinder: So werden dadurch z.B. neue Schulmaterialien bezahlt.

Wer hätte gedacht, dass sich Hoffnung manchmal in Form einer Ziege und eines Schweines zeigt!

Hinweis zu Zusatzspenden: Durch eine Zusatzspende (ab 75 €) zu Weihnachten oder dem Geburtstag des Patenkindes, kann eine auf die Familie ausgedehnte Unterstützung geleistet werden. Mit dem monatlichen Betrag von 30€ werden vier Komponenten abgedeckt: Bildung, Nahrung, Schutz und medizinische und seelsorgerliche Betreuung. Zusatzspenden decken einen Mangel ab, der darüber hinaus entstehen kann, wie etwa Auffrischung der Schulmaterialien, Ausbesserung an der Unterkunft des Kindes, Kleidung, Unterstützung bei der Fortbewegung (wie ein Fahrrad für ein Patenkind), die Anschaffung eines Tieres und vieles mehr. Das können unsere Mitarbeitenden vor Ort am besten einschätzen, und versuchen auch, dass die Familie des Kindes mit davon profitieren kann. Deswegen ist der Betrag etwas höher angesetzt. Nach Umsetzung der Spende, erhalten Patinnen und Paten einen Bericht, wie ihre Extra-Spende für das Patenkind eingesetzt wurde.

Chicken Farming schafft Perspektiven für Familien in Kambodscha

DIE KLEINE AUGUSTINE: EIN WAISENKIND BLEIBT NICHT LÄNGER ALLEIN.

„Ihr seid nicht vergessen“: Kehrtwende für junge Mutter Valerie.