Sprachförderung multiplizieren.

Veröffentlicht: ·

Hoffnungshäuser

· 1 Min. Lesezeit

Seit Juli 2021 fördert die Lechler Stiftung für den Zeitraum von zwei Jahren die Sprachförderung von geflüchteten Menschen durch die Hoffnungsträger Stiftung und übernimmt dabei 50 % aller Kosten. Ein Gespräch mit Michael Taut, dem Leiter der Sprachkurse, über die Veränderung seit Corona, das Online-Lernen und die Multiplikation durch finanzielle Mittel.

Dem Gründer unserer Stiftung, Paul Lechler, war es immer ein Anliegen, benachteiligte Menschen zu fördern und ihnen zu einem gelingenden Leben zu helfen. Die Unterstützung beim Spracherwerb durch die Mitarbeitenden der Hoffnungsträger Stiftung bietet den Teilnehmenden an den Sprachkursen die beste Möglichkeit, eigene Schritte zu Integration in Deutschland zu gehen.

Heinz Gerstlauer, Stiftungsvorstand Lechler Stiftung.

Wann haben die Hoffnungsträger das Angebot der Sprachförderung für Geflüchtete gestartet?

2015 kam die sogenannte Flüchtlingswelle. 2016 haben die Hoffnungsträger mit dem Hoffnungshaus in Leonberg im Rahmen des integrativen Wohnkonzepts gestartet. Zeitgleich haben wir mit Sprachkursen für geflüchtete Bewohnende im Hoffnungshaus Leonberg sowie weitere Geflüchtete aus der Umgebung begonnen. Das waren zwei Präsenzkurse mit jeweils zehn bis zwölf Teilnehmenden.

Welches Sprach-Niveau wurde angeboten?

Viele der Geflüchteten, die in diesen Jahren kamen, hatten gar keine Deutschkenntnisse. Deshalb haben wir die Anfängerkurse A1 und A2 angeboten, 2017 konnten wir zusätzlich einen Alphabetisierungskurs in Kooperation mit dem Landratsamt Böblingen ins Leben rufen, weil der Bedarf an Alphabetisierung sehr hoch war. Viele haben allgemein wenig Bildung mitgebracht und wussten gar nicht, wie man lernt, sie wären mit normalen Sprachkursen überfordert gewesen.

Was bedeutet ein Alphabetisierungskurs konkret?

Er richtet sich an Leute, die unser Alphabet nicht kennen, in vielen Fällen sogar in ihrer eigenen Sprache nicht lesen und schreiben können. Sie fangen mit dem ABC an. Im Rahmen unserer Sprachkurse haben wir weitere Bildungslücken festgestellt. Teilnehmende wussten zum Beispiel nicht den Unterschied zwischen der Telefonnummer-Eingabe und der Taschenrechner-Funktion auf dem Handy, es fehlten Kenntnisse in den Grundrechenarten. Aus solchen Bedarfen heraus sind weitere Kursangebote über die Sprachkurse hinaus im Hoffnungshaus Leonberg entstanden: ein Fahrradkurs für Frauen, ein Schwimmkurs für Kinder, ein Computerkurs für Jugendliche.

Warum sind Deutschkurse überhaupt wichtig?

Sprache ist elementar. Wer in Deutschland lebt, muss die Sprache lernen, wenn er sich integrieren möchte. Sprachkurse sind nicht das einzige Tool dazu, aber ein sehr gutes: Man ist nicht allein, sieht Erfolge und Hindernisse – nicht nur bei sich, sondern auch bei anderen. Das motiviert.

Sprache ist elementar. Wer in Deutschland lebt, muss die Sprache lernen, wenn er sich integrieren möchte.

Warum haben die Hoffnungsträger eigene Sprachkurse gestartet und die geflüchteten Bewohnenden nicht mit bestehenden Kursen zusammengebracht?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bietet zwar offizielle Integrationskurse an, doch viele Geflüchtete waren wegen ihrem Aufenthaltsstatus nicht berechtigt, daran teilzunehmen, je nachdem, aus welchen Ländern sie kamen. Das betraf bei einigen den Zeitraum von ein paar Jahren in Deutschland. Die kamen dann zu uns. Wir unterrichten aber auch Teilnehmende in unseren Sprachkursen, die ihr Kontingent an staatlich geförderten Stunden verbraucht haben, aber ihre Deutschkenntnisse weiter verbessern möchten.

Wie hat sich das Angebot der Sprachkurse weiterentwickelt?

Der Alphabetisierungskurs war ein gefördertes Projekt im Jahr 2017 und fand zweimal für jeweils drei Monate statt. 2018 haben wir einen Sprachkurs nur für Frauen mit paralleler Kinderbetreuung gestartet. Es gab großen Bedarf, weil viele Mütter an keinem Sprachkurs teilnehmen konnten, da sie alleine auf ihre Kinder aufpassen mussten. Den Frauenkurs konnten wir anderthalb Jahre lang anbieten, das war durch einen Förderer möglich. Außerdem gibt es die seit 2016 fortlaufenden Kurse A1 und A2. Aktuell haben wir insgesamt vier Kurse für die Sprachniveaus A1 bis B2.

Durch welche Mittel wurden die Sprachkurse finanziert und realisiert?

Für die Sprachkurse war ich anfangs der einzig Festangestellte der Hoffnungsträger Stiftung, bevor andere finanzielle Förderer dazukamen. Mein Bestreben ist nicht, allen Unterricht alleine zu machen, ich bemühe mich darum, Ehrenamtliche und auch ältere Menschen aus der Nachbarschaft in Leonberg einzubeziehen. Dadurch haben viele freundschaftliche Beziehungen zu Geflüchteten aufgebaut. Das ist für mich sehr wichtig, denn Integration funktioniert nur dann, wenn beide Seiten aufeinander zugehen.

Wann gilt ein Kurs als abgeschlossen? Gibt es ein offizielles Abschluss-Zertifikat?

Das ist für jeden individuell. Ein entscheidender Meilenstein für viele Teilnehmende ist, dass sie das Sprachniveau B1 erreichen, um den Deutschtest für Zuwanderer machen zu können. Er ist relevant für Beruf und Ausbildung. Wir als Hoffnungsträger Stiftung sind nicht berechtigt, das Zertifikat auszustellen, aber wir können die Teilnehmenden bei einem Kursträger anmelden, wo sie die Prüfung ablegen können, zum Beispiel bei einer Volkshochschule. Viele haben ihn in den letzten Jahren erfolgreich absolviert. Grundsätzlich darf an unseren Sprachkursen jeder solange teilnehmen, wie er oder sie das möchte. Bei uns ist alles freiwillig, kostenlos und individuell.

Warum so viel Flexibilität?

Unser Modell ist beziehungsorientiert. Wir kennen unsere Leute persönlich, sie wohnen in unseren Hoffnungshäusern und Gemeinden. Wir versuchen, durch den persönlichen Kontakt Motivation herzustellen, statt Druck zu machen. Es bringt nichts, wenn Teilnehmende keine Lust aufs Lernen haben. Wir motivieren natürlich trotzdem zu Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit und Hausaufgaben. Ich habe auch viel Verständnis für die Situation unserer Teilnehmenden, wenn eine Mutter zum Beispiel zwei Kinder hat und eben nicht jedes Mal kommen kann.

Unser Modell ist beziehungsorientiert. Wir kennen unsere Leute persönlich, sie wohnen in unseren Hoffnungshäusern und Gemeinden. Wir versuchen, durch den persönlichen Kontakt Motivation herzustellen, statt Druck zu machen.

Welchen Einfluss hat Corona auf das Lernen und das Kursangebot genommen?

Vor Corona hatten wir ausschließlich Präsenzkurse in Leonberg. Mit der Pandemie mussten wir zwei Monate pausieren und haben dann online mit „Zoom” weitergemacht. Das hatte den Vorteil, dass wir eine viel größere Reichweite bekommen haben: Wir konnten unser Angebot auf alle Hoffnungshaus- und Hoffnungsort-Standorte ausweiten, nicht nur lokal in Leonberg. Wir haben jetzt vier bis fünf Onlinekurse die Woche mit Teilnehmenden aus ganz Baden-Württemberg.

Klappt das?

Mal mehr, mal weniger, die Vor- und Nachteile von Online-Meetings haben wir in Pandemiezeiten alle kennengelernt. Wir haben den Gewinn, dass wir durch unser Hoffnungsträger-Netzwerk vor Ort in den Hoffnungshäusern Ansprechpartner haben. Zum Beispiel gibt es jemanden, der die Leute unterstützt, wenn sie mit der Technik nicht klarkommen. BFDler helfen auch mal in der Kinderbetreuung aus. Durch dieses geniale Netzwerk können wir eine besondere Qualität des Online-Unterrichts bieten. Auch die persönliche Beziehung ist hier wieder maßgeblich: Der direkte Kontakt zu den Teilnehmenden.

Was ist für die Zukunft geplant?

Ich möchte für 2022 ein Hybrid-Modell anbieten, das aus einer Kombination von Onlinekursen und Präsenzunterricht besteht. Unter unseren BFDlern und Semesterpraktikanten in unseren Hoffnungshäusern möchte ich dafür werben, bei den Sprachkursen mitzumachen – als Unterstützende vor Ort wie auch als Online-Lehrende.

Wie werden die neuen Lehrenden dafür befähigt? Woher kommt das Lernmaterial?

Die erfahrenen Ehrenamtlichen und ich stellen das Material, wir verwenden normalerweise dieselben Kursbücher wie andere Sprachkursträger. Wir bieten eine Einlernphase an, in der die Neulinge in die laufenden Kurse reinschnuppern können, um zu gucken, ob es ihnen Spaß macht und sie mit der Technik klarkommen.

Welche Möglichkeiten haben sich durch die finanzielle Förderung der Lechler Stiftung ergeben? Welche Limitierung gab es zuvor?

Durch die Förderung können wir mehr und verschiedene Deutschkurse anbieten und so noch spezifischer auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen. Die Hauptkosten dabei sind die Gehälter für das Personal, durch die Lechler Stiftung werden die Personalkosten für zwei Jahre übernommen. Außerdem wurde die technische Ausstattung gefördert, so können wir Online-Sprachkurse anbieten. Wir können auch Laptops an die Teilnehmenden ausleihen, so wird gleichzeitig ihre Digital-Kompetenz gefördert.

Durch die Förderung der Lechler Stiftung können wir mehr und verschiedene Deutschkurse anbieten und so noch spezifischer auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen.

Was begeistert dich persönlich daran, Menschen die deutsche Sprache beizubringen?

Mich begeistert es, wenn Menschen zum Sprachkurs kommen, weil sie es aus eigenem Antrieb möchten, weil sie persönlich motiviert sind und weil sie an der Gesellschaft teilhaben wollen. Wenn sie durch Sprache persönlich Schritte vorwärts machen können. Zum Beispiel, wenn eine Mutter am Elternabend in der Schule ihrer Kinder teilnehmen kann, oder wenn ein junger Mensch nicht mehr Pizza ausfahren will, sondern eine Ausbildung beginnt, oder wenn einer im Fußballverein nicht nur mitspielen, sondern auch mitreden will. Da geht es nicht um ein offizielles B1-Zertifikat, sondern darum, Sprachbarrieren im Alltag abzubauen.

Wenn eine Mutter durch unsere Sprachkurse am Elternabend in der Schule ihrer Kinder teilnehmen kann, geht es nicht um ein offizielles B1-Zertifikat, sondern darum, Sprachbarrieren im Alltag abzubauen.

Erzähle uns eine Erfolgsgeschichte eines ehemaligen Schülers. Hast du noch Kontakt zu einigen von ihnen?

Ein Sprachschüler kam aus Gambia, für die Ausbildung zum Altenpfleger musste er mindestens das Sprachniveau A2 erreichen. Durch unsere Sprachförderung hat er tatsächlich ein offizielles A2-Zertifikat geschafft. Dann ist der Kontakt abgebrochen und wenige Monate später schickte er mir eine Messenger-Nachricht mit einem Foto seines B1-Zertifikates. Das ist für jemanden, der nur wenige Jahre Schulbildung in seinem Heimatland genossen hat, eine enorme Leistung!

Was braucht es für die Zukunft?

Personal und Digitalisierung, um das breite Sprachangebot für geflüchtete Bewohnende unserer Hoffnungshäuser und außerhalb im Hybrid-Modell anzubieten. Sprache für Zuwanderer ist und bleibt ein Bedarf. Das Bundesamt fördert in vielen Fällen nur maximal 900 Stunden Spracherwerb im Integrationskurs, was oft nicht ausreicht. Mit unserem beziehungsorientierten und individuellen Ansatz leistet Hoffnungsträger hier einen wichtigen Beitrag zur Sprachförderung geflüchteter Menschen.

Über Michael Taut

Michael Taut hat BWL studiert und über zehn Jahre in der Mission in Amerika gearbeitet. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat er als freiberuflicher Englischlehrer Unterricht für Mitarbeitende gegeben und ist seit 2016 zu 60 % als Sprachlehrer für die Hoffnungsträger Stiftung tätig, zu 40 % in einer Volkshochschule.

ERÖFFNUNGSFEIER DER DREI HOFFNUNGSHÄUSER IN ÖHRINGEN.

STARKE PARTNER FÜR MEHR GEMEINSCHAFT.

STARKE PARTNER FÜR MEHR GEMEINSCHAFT.