INFORMATIONEN AUS ERSTER HAND – KOLUMBIEN

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Patenprogramm

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Welche Nöte, Freuden und Chancen haben Kinder von Gefangenen? Wie ist die derzeitige politische Situation in Kolumbien? Für Antworten auf diese und weitere Fragen nutzt Lácides Hernández, Geschäftsführer der Hoffnungsträger-Partnerorganisation „Confraternidad Carcelaria de Colombia“ (CCC), seinen Aufenthalt in Deutschland im Rahmen des Patenevents am 3. Juni 2019 in den Stiftungsräumen von Hoffnungsträger in Leonberg, Baden-Württemberg.

„Ich möchte mehr über Kolumbien erfahren. Man hört vieles hier und da – heute Abend möchte ich tiefer in das Thema einsteigen“, sagt Lena (29), Patin bei Hoffnungsträger.

Auch um diese Informationen zu liefern, ist Lácides Hernández elf Stunden von Kolumbien nach Deutschland geflogen. Ihn verbindet eine langjährige Freundschaft mit Hoffnungsträger-Stifter Tobias Merckle, wie Hernández im Vorfeld seines Vortrags verrät. So kommt er öfter nach Deutschland, um über den Stand der Programme zu informieren und Aufklärungsarbeit zu leisten. Hernández hat 1992 mit der Arbeit mit einigen wenigen Familien von Gefangenen in Kolumbien begonnen, aus der inzwischen ein ganzes Programm mit Friedens- und Versöhnungsprojekten entstanden ist, zu dem seit 1999 auch das Patenprogramm für Kinder strafgefangener Eltern gehört.

Eindrücke aus den Patenschafts-Ländern

Ein lautstarkes Gemurmel hat inzwischen den lichterfüllten Verbindungsraum zwischen dem Hoffnungsträger-Stiftungsgebäude und dem Leonberger Hoffnungshaus in der Heinrich-Längerer-Straße erfüllt, als Vorstand Marcus Witzke nach vorne tritt und die Gäste offiziell begrüßt. Marcus Witzke stellt die aktuellen Zahlen aus dem Patenprogramm vor, die Auskunft darüber geben, was in welchen Bereichen bewirkt wurde. Er schließt mit Fotos von Besuchen in den Ländern ab, die Hoffnungsträger mit dem Patenprogramm unterstützt. „Hier sind wir bei einer Mutter mit drei Kindern zu Besuch – der Vater ist im Gefängnis wegen Drogengeschäften“, sagt er. Auf dem Foto ist Marcus Witzke mit drei Kindern auf einem Sofa sitzend abgebildet, das an vielen Stellen aufgerissen ist. Im Hintergrund ist eine Wand aus roten Ziegeln zu sehen, von der Decke hängt eine schwach glimmende Glühbirne herab. Er übergibt an Redner Lácides Hernández.

„Unsere Kinder im Teenageralter haben Weihnachten freiwillig auf ihre Geschenke verzichtet. Sie wollten unbedingt, dass wir stattdessen als Familie die Patenschaft für ein Kind übernehmen. Das taten wir dann auch.” – Mutter und Patin auf dem Event

Ein Kolumbianer, der Angst im eigenen Land hat

„Die Bandenkriminalität in Kolumbien ist ein echtes Problem. Manche Gegenden sind dermaßen gefährlich, da traue ich mich nicht mal als Kolumbianer hin“, so beginnt Lácides Hernández seinen Vortrag. Die Banden würden enorme Gewalt nutzen, um ihre Macht zu demonstrieren und einzuschüchtern. Solange eine kriminelle Bande in einer Region regiere, sei temporär Ruhe. Doch nur solange, bis eine gegnerische Gruppierung ihnen ihr Territorium streitig machen wolle. Dann käme es zu den berühmt berüchtigten Konflikten.

Kinder frühzeitig auffangen

Mit dem Patenprogramm wird den Kindern von Gefangenen frühzeitig geholfen. Lácides Hernández zeigt in seiner Präsentation, wie das funktioniert. Auf der Präsentationsfolie sind vier Kernbereiche zu sehen, die Hernández nacheinander erläutert:

  • Gesundes Umfeld
  • Geistliche Unterstützung
  • Ernährung und Medizin
  • Schulbildung

„Ich finde die Patenschaft wichtig. Eltern sind hinter Gittern und die Kinder zu Unrecht betroffen. Ich arbeite selbst im Justizbereich – das berührt mich.” – Annika (28), Patin

Den Punkt „Geistliche Unterstützung” hebt Lácides Hernández als Erstes hervor und betont die Wichtigkeit: „Es ist ausschlaggebend, dass die Kinder Werte mitbekommen”, sagt er. Denn die Armut würde nicht im Geldbeutel beginnen – er klopft sich auf die Hosentasche, während er das sagt –, sondern im Kopf.

Die Mitarbeiter von CCC schauen sehr genau darauf, in welchem Umfeld die Kinder leben und aufwachsen, erklärt Lácides Hernández. Und das hat auch einen guten Grund: Die Zahl der sexuellen Verbrechen in Familien sei in Kolumbien am höchsten. Die Mitarbeiter gehen Fragen nach wie: Wo bleibt das Kind, wenn die Mutter arbeiten ist?

Lácides Hernández bringt seinen Vortrag auf den Punkt: „Es gibt noch viel zu tun. Aber dieses Wissen motiviert uns, weiterhin alles zu geben: All die Kinder, dir wir gemeinsam vor dem Elend bewahrt haben, die vor Drogen und Kriminalität gerettet wurden. Danke an euch Paten!”

Gemeinsam für Kinder in Not

Ein Mann im Publikum hebt den Arm. Als Lácides Hernández ihm zunickt, fragt er: „Können Sie mir ein Kind nennen, das es am nötigsten hat, noch Hilfe zu bekommen?” Hoffnungsträger-Mitarbeiterin Leonie Löwenstein übersetzt die Frage ins Spanische, Hernández schaut ruckartig auf, strahlt über das ganze Gesicht und ruft: „Muchos!” – also: „Ja klar, viele!” Alle im Raum lachen lautstark über so viel kolumbianischen Enthusiasmus.

Freude und Leid liegen nah beieinander. Das hat auch der Vortrag von Lácides Hernández deutlich gezeigt. Auf den Fotos etwa, die Kinder und ihre Familien in erbärmlichen Unterkünften zeigen. Genauso wie die Fotos mit strahlenden Kinderaugen, als die Kinder Schulmaterial und Spielzeug erhalten.

Oder etwa die Bilder von zuversichtlich lachenden Müttern, deren Freude grenzenlos scheint, als sie gemeinsam mit Mitarbeitern von CCC ihre Wohnräume verschönern und Reparaturmaßnahmen vornehmen. Angelehnt an Hernández’ Worte lässt sich sagen: Man vermag nicht die ganze Welt zu retten, aber gemeinsam lässt sich die Welt für ein Kind verändern.

„Anfangs hatte ich Vorbehalte. Warum hilft man ausgerechnet ‘Knackis’? Ihren Kindern … Das konnte man ja noch verstehen. Aber dann erkannte ich: Niemandem ist geholfen, wenn man Strafgefangene einfach nur wegsperrt – weder den Tätern noch der Gesellschaft. Auch nicht ihren Kindern. Meine Frau und ich sind seit etwa zwei Jahren Paten. Heute haben wir uns zu einer weiteren Patenschaft entschlossen. Genau wie damals, ist uns das Herkunftsland nicht wichtig. Wir wollen helfen, wo es am nötigsten ist!’” – Christoph mit seiner Frau Martina Lohrmann

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