„Es wird anders, aber es wird gut“
Ende des Monats sind die beiden Hoffnungshäuser in Conweiler bezugsfertig. Katharina und Christoph Flassak führen bereits emsig Gespräche mit möglichen Bewohnern. Dem „Schwarzwälder Boten“ stellten die beiden Standortleiter sich und ihre Aufgaben vor. Der Beitrag von Christoph Jänsch erschien am 10.07.2020.
Straubenhardt-Conweiler. Die Standortleiter des Straubenhardter Hoffnungshauses sind im Stress. Eine Dreiviertelstunde haben sich Katharina und Christoph Flassak zwischen Kennenlerngesprächen, Wickelkommode und Pfarramtspflichten freigeschaufelt. Mehr ist aktuell nicht drin. Die Hoffnungshäuser sind Ende des Monats bezugsfertig und noch sind drei der insgesamt 13 Wohnungen frei, wo später Einheimische und Flüchtlinge unter einem Dach zusammenleben werden. Die Standortleiter sollen diese Gemeinschaft sowie die Integration fördern und Ansprechpartner für die Bewohner der Häuser sein.
»Es ist ein Riesenpuzzle«, beschreibt die 34-Jährige die derzeitige Tätigkeit des Ehepaares rund um die Vergabe der einzelnen Wohneinheiten. Immerhin überlasse man nicht nur Wohnungen, sondern suche »die passenden Personen« für die Gemeinschaft, unterstreicht ihr Mann. Und an eben diesem Puzzle bauten die beiden derzeit fleißig.
Gemeinschaft soll sich gegenseitig bereichern
In ihrem derzeitigen Zuhause in Schömberg hätten sie die Wohnungsumrisse der zu vergebenen Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen der Hoffnungshäuser aufgezeichnet und sortiert. Bei jedem Anrufer oder Bewerber überlegten Katharina und Christoph Flassak, über welche Wohneinheit man überhaupt sprechen könne. Schließlich seien sie im Gespräch mit allen – »Alleinstehenden, Paaren, Familien«.
»Uns ist wichtig, dass es ein gutes Puzzle ist, was zusammengeht aus verschiedenen Nationen, Religionen und so weiter«, sagt Katharina Flassak. »Und ich freue mich darauf, wenn dieses Puzzle gelöst ist und alle Teile ein gemeinsames Bild ergeben.«
»Wir wollen, dass jeder Einzelne sich einbringen kann mit seinen Stärken und Schwächen«, erklärt Christoph Flassak. Daher sei eine wichtige Frage in den Auswahlgesprächen »Was ist Ihr Hobby?«. Dass dabei »die unterschiedlichsten Dinge zum Vorschein kommen« können, hat der gelernte CVJM-Jugendreferent schon festgestellt. Er wünscht sich, dass sich die Fähigkeiten und Interessen in der Gemeinschaft am Ende »befruchten«.
Die erste Familie, die einziehen wird, werden die Flassaks selbst sein. Am 31. Juli soll es so weit sein. Mitte August soll eine weitere Familie hinzukommen, die restlichen Bewohner sollen im September folgen.
Es wartet viel Arbeit auf das Ehepaar
Und wenn das Puzzle dann fertig ist? Was werden die Aufgaben der Standortleiter sein? »Das Spannende ist: Wir wissen es noch nicht«, lautet die profane Antwort der 34-Jährigen. Sie schätzt, dass vor allem die ersten Monate wichtig sein werden für die Bildung der Gemeinschaft. Insofern werde sich viel um Sozialarbeit drehen. Aber auch das Ausfüllen von Anträgen, die Anmeldung für Schulen und Kindergärten, Unterstützung bei der Suche nach Arbeitsstellen sowie dem Verfassen und der Korrektur von Bewerbungen und Lebensläufen werden eine Rolle spielen.
Zudem wollen Katharina und Christoph Flassak sich ein gutes Netzwerk an Unterstützern, Vereinen und Organisationen aufbauen. »Es ist ja ein Weg, den wir miteinander gehen«, erklärt Katharina Flassak. Und auf diesem müsse man sehen, was die Menschen bräuchten, um besser integriert zu werden. Ob Sprachkenntnisse oder Computerkenntnisse gefragt seien, die Standortleiter seien da »sehr flexibel«.
Projekt als Sprungbrett verstehen
Ideen, welche Projekte sie mit den Bewohnern später zusammen angehen wollen, hat das Paar auch schon. Christoph Flassak könnte sich beispielsweise ein kulturelles Nachbarschaftsfest vorstellen. Seine Frau träumt indes von einem Grillplatz und einem Nutzgarten, den die Bewohner miteinander hegen und pflegen. »Uns ist wichtig, dass wir nicht nur hier am Ortsrand sind, sondern dass wir in den Ort hineinstrahlen«, führt Christoph Flassak aus. »Dass wir unsere Nachbarschaft pflegen. Dass unsere Gemeinschaft über die Hoffnungshäuser hinaus geht. Dass das hier nur ein Sprungbrett ist und die Menschen Wohnraum und Gemeinschaft auch außerhalb finden.«
Aber wie kamen die Pfarrerin und der CVJM-Jugendreferent überhaupt auf die Idee, diese Aufgabe zu übernehmen? »Ich persönlich finde es sehr spannend, gemeinsam mit Menschen zusammen zu sein, unterwegs zu sein«, sagt der Standortleiter, der im Zuge seiner Ausbildung bereits im Libanon und in Jordanien gelebt hat. Als sie die Stellenausschreibung für die Standortleitung gesehen hätten, seien sie total überwältigt gewesen, erinnert sich dessen Frau. Auch sie hat bereits ein Jahr in Jerusalem gelebt. »Das ist eine Aufgabe, die sinnstiftend ist, und die wir auch gemeinsam als Paar ausleben können «, sagt sie, »ohne diese künstliche Trennung von Familie und Beruf«. Sie hätten noch einmal etwas Neues wagen wollen als Familie »in einer Welt, in der Hass und Diskriminierung immer salonfähiger « werde. »Da wollten wir Verantwortung übernehmen und eine Willkommenskultur schaffen«, erklärt Katharina Flassak. Das lebten sie auch ihren Söhnen (ein und drei Jahre) vor.
Und wenn es doch einmal zu viel wird, und es nicht ausreicht, die Wohnungstüre nach einem stressigen Tag hinter sich zu schließen? Immerhin sind Arbeit und Beruf in diesem Fall schwer zu trennen. »Es wird spannend und ich glaube, wir werden immer wieder nachtarieren müssen«, meint der Familienvater. »Vielleicht wird es dann auch so sein, dass wir mal ein Wochenende wegfahren müssen, um Abstand zu gewinnen.« Dafür sei es aber eine Herzensangelegenheit und die Familie sei immer um einen herum, zählt Katharina Flassak die Vorteile auf. »Wir lassen uns auf einen Weg ein, in dem wir noch nicht wissen, wo wir in zwei, drei und fünf Jahren stehen. Aber eben auch auf einen, den wir nicht alleine gehen«, sagt sie. »Es wird anders, aber es wird gut.« Dann sind 45 Minuten rum. Die Pflicht ruft: Der ältere Sohn muss aus dem Kindergarten abgeholt werden.
Katharina und Christoph Flassak
Das Ehepaar Katharina und Christoph Flassak wird die Standortleitung der Hoffnungshäuser in Straubenhardt übernehmen. Die 34-Jährige ist gebürtige Karlsruherin, ihr 36-jähriger Mann kommt ursprünglich aus Thüringen. »Über verschiedene Stationen« ist der gelernte CVJM-Jugendreferent, wie er selbst sagt, am Ende in Baden-Württemberg gelandet. Seit März arbeitet er für die Hoffnungsträger Stiftung. Sie studierte Theologie – zunächst katholische, später evangelische – und ist zurzeit noch Pfarrerin der evangelischen Verbundkirchengemeinde Schwarzenberg-Bieselsberg.
Ende August endet der Dienstauftrag der 34-Jährigen dort. Dann wechselt sie von der derzeit nebenberuflichen Tätigkeit für die Hoffnungsträger Stiftung ebenfalls in die hauptberufliche als Standortleiterin. Aufgrund ihrer eigenen kleinen Familie teilen sich Katharina und Christoph Flassak zu Beginn eine 100-Prozent-Stelle. Gemeinsam mit ihren beiden Söhnen (ein und drei Jahre) wohnen die Flassaks derzeit noch in Schömberg. Zum 31. Juli wollen die vier ihre Wohnung im Straubenhardter Hoffnungshaus beziehen. (cj)