„Es geht im Hoffnungshaus immer um neue Perspektiven“

In Schwäbisch Gmünd entsteht ein neuer Standort für Hoffnungshäuser. Es ist das bislang größte Bauvorhaben von Hoffnungsträger mit vier Hoffnungshäusern und zwei Wohnhäusern für die Generation 55+. Der Bau ist in vollem Gange, jetzt konkretisieren sich die Pläne, wie die Raumgestaltung aussehen wird. Redakteurin Julia Weiß hat Standortleiter Martin Schechinger, der hier mit seiner Frau und seinen drei Töchtern wohnen wird, zum Rundgang auf dem Gelände getroffen.
Die sechs Häuser stehen im Taubental in Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, und fügen sich stimmig in das Gesamtbild ein. Die Fundamente gibt es seit Mitte 2018. Das seit 2015 geplante Bauvorhaben von Hoffnungsträger wird nächstes Jahr fertiggestellt: Dann werden hier über 100 Bewohner einziehen.

Im Hintergrund wummert der Presslufthammer, während Standortleiter Martin Schechinger und ich die Baustelle betreten. Es braucht nicht mehr viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wie es hier in ein paar Monaten aussehen kann. Der Eingang liegt zur Straße zwischen den zwei Häusern im Massivbau. Es ist ein offener Raum, in dem sich eine Treppe und bald auch – altersgerecht und barrierearm – ein Fahrstuhl befinden wird. Im Untergeschoss gibt es außerdem eine Tiefgarage mit rund 26 Stellplätzen.
DAS BEGEGNUNGSFOYER
Wir gehen die Treppe hoch und kommen in einen Raum, der zwischen zwei Gebäuden platziert ist – gleichzeitig überdacht und licht. „Das wird das Begegnungsfoyer oder auch ‚der Marktplatz’“, erklärt Martin Schechinger und lässt den Blick zur Decke des Raumes schweifen, die über uns noch bis zum dritten Geschoss reicht. Dieses Foyer soll Dreh- und Angelpunkt der Begegnungen sein im Hoffnungshaus, lässt er mich wissen. Begegnungsort für Bewohner aller Art, für Geflüchtete, für ältere Menschen, für Kinder. Aber auch einladend soll er sein, für Besucher, für Familien und die Nachbarschaft.
„Im Fokus dieser Gemeinschaftsräume stehen die Bewohner und deren unmittelbares Netzwerk“, sagt Martin Schechinger. Der gelernte Designer hat sich schon viele Gedanken gemacht, wie dieser Raum aussehen kann. Die Hauptidee sei, dass es hier Sitzmöglichkeiten und Tische geben soll, sodass Begegnungen stattfinden können. Auch eine Küche ist angedacht, in der Kaffee und Snacks zubereitet werden können. „Gerade kulturelle Begegnungen geschehen oft über das Essen“, fügt er hinzu. Doch dabei soll es nicht bleiben, auch gemeinsame Filmabende oder Spielerunden sind möglich.
Die Gebäude in Massivbauweise an der Straße sind neu für einen Hoffnungshaus-Standort: Hier werden Menschen ab etwa 55 Jahren einen Wohnort finden. Insgesamt sind die Wohnungen geräumig, mit großem Badezimmer in der Mitte, um das sich die weiteren Räume arrangieren. Die Wohnungen sind rollstuhlgerecht und durch die Tiefgarage und den Aufzug wird der Zugang erleichtert.
VIEL RAUM FÜR BEGEGNUNG
Über die Rohbautreppe betreten Martin Schechinger und ich den Innenhof auf der Rückseite der beiden vorderen Häuser. Es sind nur ein paar Meter zu den vier Hoffnungshäusern in klassischer Holzbauweise, wie sie beispielsweise auch an den Hoffnungshaus-Standorten in Esslingen oder Bad Liebenzell zu sehen sind. Ins erste Haus links sollen gleich drei Räume kommen, in denen Begegnung stattfinden soll: ein Wohnzimmer, ein Raum für kreative Arbeiten und eine Werkstatt.

An diesem grauen Tag tropft das Wasser von dem noch offenen Hauseingang. Mit einem Schritt sind wir in dem Raum, der künftig das Wohnzimmer sein wird. Martin Schechinger sieht die Einrichtung vor seinem inneren Auge: „Ich stelle mir vor, dass wir mehrere kleine Sitzgelegenheiten haben, Säcke oder Hocker, die wir in der Ecke stapeln können. Dann können hier in der Mitte auch Kinder in dem Raum spielen.“
Einen Raum weiter soll es Platz für Kreativität geben. Martin Schechinger zeigt mir begeistert, wie er sich den Werkraum vorstellt: „Hier soll ein großer Tisch hinkommen. Dann können Jung und Alt zusammen Neues schaffen. Ich wünsche mir, dass wir eine oder mehrere Nähmaschinen finanzieren können. Vielleicht auch Computer und Material für Siebdruck – dann sind noch ganz andere Dinge möglich.“
BEWOHNER BEREICHERN BEWOHNER
Seine Idee ist, dass sich durch die vielen Räume, die hier entstehen, für jeden Einzelnen neue Möglichkeiten entwickeln. „Ein Hoffnungshaus ist keine Einrichtung. Jeder zieht ein, weil er oder sie einziehen will, und alle Bewohner ziehen an einem Strang. Dann entstehen Initiativen von den Bewohnern.“ Martin Schechinger denkt dabei an einen Rentner, der vorne im Haus wohnt und zusammen mit einem Geflüchteten an der Bohrmaschine arbeitet. Oder an eine Frau, die einer Anderen ein neues Rezept zeigt.
„Dadurch, dass wir Viele sind, können die Menschen ihren gemeinsamen Nenner finden und Kleingruppen mit unterschiedlichen Interessen formen. Die wiederum sollen mit hohem Eigeninteresse und Eigeninitiative die Gemeinschaftsräume nutzen. Das muss dann nicht nur in gemauerten Räumen sein, sondern kann auch außerhalb der Häuser geschehen“, fasst er seine Idee zusammen. Einen Gemeinschaftsraum, der die über 100 Personen problemlos fasst, wird es nicht geben.
Zuletzt kommen wir noch in den Raum, in den Martin Schechinger auch als Designer gerne kommen wird: die künftige Werkstatt. Noch ist es ein kahles Zimmer aus Beton mit drei gleich großen Fenstern an der Rückseite. Aber auch hier hat Martin schon genaue Vorstellungen und erzählt mit leuchtenden Augen: „Stirnseitig soll hier eine große Werkbank hinkommen und an die Seiten zwei weitere Werkbänke. Mit einer Ständerbohrmaschine, einer Kreissäge und einer Drechselbank kann man dann schon eine ganze Menge anstellen. Dann können wir auch wertige Gegenstände herstellen – Regale oder unsere eigenen Hoffnungshaushocker zum Beispiel.“
NEUE PERSPEKTIVEN DURCH AUSTAUSCH
„Es geht im Hoffnungshaus immer um neue Perspektiven, die man bekommen kann. Das trifft nicht nur auf Geflüchtete, sondern auf alle zu, die offen dafür sind. Jeder bringt Fähigkeiten und Wissen mit. Wenn man dann noch den Raum hat, diese einzusetzen, kann man ganz neue Sachen entdecken.“ Martin Schechinger malt sich aus, wie gerade im Bereich Handwerk kreative Dinge entstehen, wie Bewohner von sich aus das Gelände pflegen, Sitzgelegenheiten bauen oder Blumen einpflanzen.
Wir kommen von der Werkstatt in den Bereich, wo ein Innenhof entstehen wird. Noch ist es schlammig und uneben – der Boden zwischen den sechs Gebäuden wird hier noch begradigt. Vor meinem inneren Auge entsteht ein Steinweg, der gesäumt ist von Blumen und Wiese, auf dem Parkplatz am anderen Ende spielen Kinder, ein älteres Pärchen sitzt auf einer von Bewohnern gebauten Parkbank. Es klingt noch wie Zukunftsmusik, aber könnte schon in ein paar Monaten Wirklichkeit werden.